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Zielstrebig, engagiert, ambitioniert, politisch aktiv, gebildet und erfolgreich - mein Bild von mir ist gewachsen und passt.

Wenn ich zurückblicke auf mein Bewerbungsgespräch bei „Step up!“ vor 2 Jahren scheint es mir paradoxerweise gleichzeitig sehr fern und sehr nah. In den letzten zwei Jahren hat sich mein Leben auf so unvorhersehbare Weise verändert und entwickelt. Im Nachhinein scheinen sich Wege immer bereits abzuzeichnen, aber das Erleben fühlt sich immer überraschend und unvorhersehbar an. Höchstwahrscheinlich auch, weil mensch Vorstellungen hat, wie gewisse Wendepunkte sich anfühlen sollen. Und letztendlich ist die Veränderung selten ein Moment, eine Entscheidung, sondern eine Kette von Entwicklungen, die ineinandergreifen und dich in eine bestimmte Richtung führen.

Vor zwei Jahren stand ich vor dem letzten Studienjahr meines deutsch-französischen, politikwissenschaftlichen Bachelors „European and International Governance“ an der Universität Münster und der Sciences Po Lille in Frankreich. Nach zwei Jahren Studium war ich in vielen Bereichen meines Lebens schon angekommen, hatte wichtige Entscheidungen getroffen und eine Vision für die Zukunft, so verschwommen sie auch aussehen mochte. Ich fühlte mich als Student*in legitim. Ich war aktiv in der Fachschaft der Politik und engagierte mich in unterschiedlichen Antirassismus-Gruppen. Ich bewegte mich meistens mit einer Sicherheit und Selbstverständlichkeit durch die weiße Institution der Uni, durch Münster, unterschiedliche Aktivist*innen-Gruppen und Freund*innenkreise. Auf so viele Arten hatte ich bereits meinen Platz gefunden.

Gleichzeitig war ich unsicher, ob ich die bestmögliche Option für mich gewählt hatte. Ich hatte mein Studium 2018 mit vielen Vorstellungen über das Studium, das Student*innenleben und meine berufliche Zukunft begonnen. Und viele meiner Vorstellungen hatten sich gerade so weit als nicht zutreffend rausgestellt, dass sie keine Anhaltspunkte mehr für mich darstellten. Zum Beispiel meine sehr abenteuerliche und romantische Vorstellung darüber, was es bedeutet, jedes Jahr umzuziehen, erst von Deutschland nach Frankreich am Anfang meines Studiums, von Frankreich nach Deutschland am Ende meines zweiten Semesters und wieder zurück nach Frankreich am Ende meines zweiten Studienjahres. Denn ja, es war abenteuerlich, aufregend und anregend, aber ich hatte nicht gewusst, dass Wertschätzung für Abenteuerlichkeit und Abwechslung nur stattfinden kann, wenn mensch nicht müde und erschöpft davon ist, ständig anstrengende Umzüge zu planen und immer unter dem Zwang steht, sich neu einzuleben. Hinzu kam die Pandemie, familiäre Unglücksfälle und vor allem die Bachelorarbeit, die mich in Angst und Schrecken versetzte.

Die Analyse von „Step up!“ meiner Fähigkeiten und Talente kam zu einem sehr gelegenen Zeitpunkt. Sie bestätigte mich nicht nur in meinen Entscheidungen, sondern auch mein Vertrauen in mich selbst, reflektierte und überlegte Entscheidungen zu treffen. Viele von den Dingen, die ich in der Analyse über mich erfuhr, wusste ich schon. Aber die Ausformulierung und Verbalisierung im Austausch mit einem anderen Menschen, hielt mir noch einmal auf eine ganze neue Art den Spiegel vor. Allein das Wissen darum, dass es Menschen gibt, die einen sehr guten Überblick über deine Persönlichkeit haben und dich gegebenenfalls beraten können, hat mir die letzten Jahre sehr viel Ruhe und Sicherheit geschenkt.

Heute bin ich im zweiten Semester meines deutsch-französischen Masterstudiengangs „European and International Governance“. Ich habe meinen Bachelor erfolgreich abgeschlossen und meinen ersten akademischen Titel erworben. Und immer noch bin ich verwundert darüber, wie anders sich diese angeblich großen Wendepunkte anfühlen. Ich bin stolz auf meine Bachelorarbeit. Ich habe mich wirklich in das Thema („Der staatliche Umgang der ruandischen Regierung mit den menschlichen Überresten der Opfer des Genozids 1994 als Form der nekropolitschen Machtausübung“) eingearbeitet, eigenständig recherchiert und wissenschaftlich gearbeitet. Mich motivierte auch die Wahrnehmung dieses Projekts als politischen Aktivismus ungemein. Denn dieses Thema ist in vielen Aspekten immer noch vernachlässigt und ungenügend aufgearbeitet.

Und ich gucke auf meinen Lebenslauf und alles, was darauf steht, die unzähligen Projekte und Engagements, die Erfahrungen und Fähigkeiten, zeigen mir das Bild eines erwachsenen Menschen, zielstrebig, engagiert, ambitioniert, politisch aktiv, gebildet und erfolgreich. Ich kann diese Person mit Abstand betrachten und ich weiß, dass ich es bin, aber ich identifiziere mich nicht damit.

Mein Gefühl von Unerfahrenheit, Unvorbereitetheit und Mangelhaftigkeit kehrt zyklisch wieder. Denn so viel habe ich bis hierhin gelernt: Dass Wissen und Erfahrungen keine solide, greifbare Essenz sind, sondern sich in dem leicht erstaunte Gefühle manifestiert, wenn du aus dem Stand eine politische Theorie erklären kannst, durchdacht das politische Argument einer anderen Person auseinandernehmen kannst oder erstaunlich souverän in letzter Minute für jemanden bei einem Event einspringst. Das ist meine Erfahrung: Die sich wiederholende Feststellung viel mehr zu können und zu wissen, als mensch selbst weiß. Und irgendwann zu wissen, dass du dir vertrauen kannst: dass du mit Katastrophen umgehen kannst, dass die schweren Phasen vorbei geht, dass du um eine Verlängerung einer Hausarbeit bitten kannst und darfst, ohne dich schlecht zu fühlen, dass selbst wenn du gerade zu fertig bist, du gute Freund*innen gewählt hast, die dich auffangen und dass du deinen Weg machen wirst, auch wenn du dich immer wieder verletzlich, wund und inkompetent fühlst.

Ich bin immer noch in der Schwebe. Ich kann immer noch kaum begreifen, wofür meine Erfahrungen und meine Arbeit mich alles qualifizieren. In letzter Zeit fühle ich mich häufiger erdrückt von dem Gewicht der Zukunft: Das Ende meines Student*innenlebens scheint mir entgegenzurasen und das „richtige“ Erwachsenenleben dahinter mit einem ernsthaften 35-Stunden-und-wage-es-nicht-einen-Fehler-zu-begehen-Job und furchtbar viel Verantwortung für mich selbst, wirkt furchteinflößend. Jetzt scheint der Moment zu sein, wie vor dem Abitur, alles auszuschöpfen, menschs ganzes Potential zu entfalten. Und ich kriege Herzrasen und bin überwältigt von all dem, was es zu erreichen, erlangen, erleben gibt.

Aber alle haben dieses Gefühl. Alle scheinen den Druck zu empfinden, Dinge zu erreichen, bevor ein gewisser Lebensabschnitt, ein gewisses Alter erreicht ist. Und aus irgendeinem Grund macht es das erträglich.

Bis jetzt habe ich selten gewusst, ob diese Wahl genau das richtige ist. Ob dieser Weg mich dahin führt, wo ich wirklich hin will. Ob das gesteckte Ziel wirklich das ist, wonach ich mein Leben ausrichten will. Und trotz all der Unsicherheit und Unvorhersehbarkeit haben sich Dinge gefunden und ich empfinde generell Zufriedenheit mit meinem Leben.

Also gehe ich weiter und mache das, was auf mich wie der nächste richtige Schritt für mich zu machen aussieht! Und irgendwo werde ich schon ankommen.

Yara

Stipendiatin seit August 2020

«Es war erstaunlich, selbst so auf die bestmögliche Art den Spiegel vorgehalten zu bekommen, von einer Person, die dich feinfühlig, freundlich und geduldig an die Hand nimmt.»

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